l-iz vom 07.04.2013: „Asyl in Leipzig: Unterbringungskapazitäten noch nicht ausreichend vorhanden“

In Deutschland suchen wieder mehr Menschen Asyl. Zudem wird Deutschland syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufnehmen. „Aktuell sind diese Kapazitäten ebenso wie für die Umsetzung des Konzeptes ‚Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig‘ noch nicht ausreichend vorhanden“, sagt Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst im L-IZ-Interview.

Frau Kador-Probst, laut Bundesinnenministerium haben in den ersten beiden Monaten dieses Jahres 13.327 Menschen erstmalig einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Das bedeutet eine Zunahme von 57,4 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum. Wie spiegelt sich diese Entwicklung in Leipzig wider?

Bislang hat diese Entwicklung für Leipzig noch keine unmittelbaren Folgen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – zuständig für die Annahme und Bearbeitung von Asylanträgen – bearbeitete in diesem Jahr bisher fast ausschließlich Anträge, die keine Aussicht auf Erfolg hatten. Die betroffenen Antragsteller_innen wurden insofern allenfalls auf die Länder, nicht jedoch in die Kreisfreien Städte und Landkreise verteilt.

Unabhängig davon muss sich die Stadt Leipzig gemäß der Prognosen des BAMF und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern im Jahr 2013 auf circa 500 Zuweisungen einstellen. Das sind mehr Menschen als im vergangenen Jahr.

Zudem wird Deutschland ab Juni 2013 voraussichtlich 5.000 Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufnehmen. Inwieweit hält die Bereitstellung von Unterbringungsplätzen durch die Stadt Leipzig mit den beschriebenen Entwicklungen Schritt?

Sofern im Falle der Aufnahme in Deutschland die Verteilung der Bürgerkriegsflüchtlinge auf die Länder und in der Folge auf die Kommunen der Königsteiner Schlüssel zur Anwendung gelangt, bedeutet dies für Leipzig die Aufnahme von circa 34 Personen. Wo und wie diese unterzubringen sind, wird durch den Bund oder das Land festzulegen sein.

Sollte eine gemeinschaftliche Unterbringung präferiert werden, separat oder gemeinsam mit Asylsuchenden und Geduldeten, dann wird die Stadt Leipzig entsprechende Kapazitäten zur Verfügung stellen müssen. Aktuell sind diese Kapazitäten ebenso wie für die Umsetzung des Konzeptes „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig“ noch nicht ausreichend vorhanden. Aus diesem Grund werden weiterhin solche Häuser gesucht.

Im Frühsommer 2012 verlief die öffentliche Diskussion über die neuen Unterkünfte teils sehr heftig und kontrovers. Wie würden Sie die Stimmungslage derzeit beschreiben?

Soweit sich die Diskussion nicht, wie in Grünau, wegen des Verzichts auf den Standort erledigt hat, verläuft sie weitgehend sachlich. Teilweise sind Vorbehalte nach wie vor vorhanden, die in Gesprächen ebenso wie interessierende Fragen besprochen und beantwortet werden. Andererseits gibt es auch viel Zuspruch und Unterstützung, wie Spenden oder Angebote der konkreten Zusammenarbeit in den Stadtteilen.

In welchem Umfang werden gegenwärtig Wohnungen zur Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen von der Stadt Leipzig angemietet?

Die Stadt Leipzig selbst mietet aktuell keine Wohnungen an. Dies wurde lediglich Ende des vergangenen Jahres in wenigen Einzelfällen praktiziert als eine der Maßnahmen, um die enormen Zuweisungszahlen im November und Dezember bewältigen zu können. Aber wie bereits ausgeführt, ist der Bedarf an neuen Unterbringungskapazitäten noch nicht vollständig gedeckt. Daher werden eingehende Angebote zur möglichen Nutzung von Häusern im Stadtgebiet nach wie vor zeitnah geprüft und bei Eignung dem Stadtrat vorgeschlagen.

Die Gemeinschaftsunterkunft Riebeckstraße 63 geht gut ein halbes Jahr später in Betrieb als ursprünglich geplant. Welche Erwartungen verbinden Sie mit der Inbetriebnahme dieser neuen Gemeinschaftsunterkunft?

Die Riebeckstraße 63 ist der erste der neuen Standorte, der in Betrieb gehen wird. Insofern ist klar, dass viele Augen, kritische und wohlwollende, sehr genau beobachten werden, wie der Start verläuft und wie sich der Standort in den nächsten Monaten entwickeln wird.

Wir sind froh, dass wir mit dem Verein Pandechaion Herberge e.V., der seit vielen Jahren als Träger der sozialen Betreuung am Standort Liliensteinstraße 15a tätig ist, einen zuverlässigen, kompetenten und engagierten Partner gewonnen haben, der die Einrichtung im Auftrag der Stadt betreibt und die Bewohner_innen betreut.

Anlässlich des Tages der offenen Tür am 23. März 2013 haben die unmittelbar Beteiligten, neben einigen kritischen Anmerkungen die – allerdings nicht veränderbare – Aufteilung der Räumlichkeiten betreffend, durchaus Vorschusslorbeeren erhalten. Diese gilt es nun gemeinsam zu bestätigen.

Die Gemeinschaftsunterkunft Riebeckstraße 63 befindet sich in den Gebäuden der ehemaligen städtischen Arbeitsanstalt. Diese erinnert an die dunkle Seite deutscher Sozialstaatlichkeit. Während der NS-Zeit war dieser Ort Teil des rassistischen Ausgrenzungs- und Vernichtungssystems. Wie soll dieser Geschichte des Ortes erinnert werden?

Bis die endgültige Nutzung des gesamten Gebäudeensembles feststeht, werden verschiedene Möglichkeiten mit vielen Beteiligten diskutiert werden, um eine geeignete Form eines solchen Erinnerns zu finden.

Vielen Dank für das Gespräch.

(l-iz, Gernot Borriss, 07.04.2013)