LVZ vom 18.10.2013: „Diskussionen um Moschee auf offener Straße“

BI contra Bau: Unbekannte laden zu Gründungstreffen / Befürworter und Gegner vor dem Gohlis-Center

Die Gründung einer Bürgerinitiative gegen den Bau einer Moschee in Gohlis ist vorerst geplatzt. Unbekannte Veranstalter hatten am Mittwoch Abend ins Gohlis-Center eingeladen. Doch aus dem Gründungsabend wurde nichts.

Mittwoch, 19.30 Uhr. Die Elsbethstraße in Gohlis ist von Polizeiwagen gesäumt. Vor dem Gohlis-Center stehen etwa 50 Menschen. Eine halbe Stunde später sind es doppelt so viele. Die Stimmung ist angespannt, viele haben schwarze Kapuzen bis ins Gesicht gezogen, die Wartenden beäugen sich kritisch. Nur die vielen Senioren, die gekommen sind, plaudern ungeniert über das Thema, das die Gohliser derzeit spaltet: die Moschee der Religionsgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat. Sie soll an der Kreuzung zwischen Georg-Schumann- und Bleichertstraße entstehen, die Stadt Leipzig gab dem Bauvorhaben vergangene Woche die Genehmigung. Die Menschen, die an diesem Abend gekommen sind, interessieren sich für eine Bürgerinitiative gegen den Bau der Moschee.
Unbekannte hatten über Plakate zu diesem Treffen eingeladen. Doch die Leute warten vergebens. Die Organisatoren hätten sich telefonisch entschuldigt, heißt es aus dem Gohlis-Center. Das Treffen sei auf den heutigen Abend und in die Gaststätte Neumann, Strelitzer Straße 1, verschoben worden. Trotzdem geht niemand nach Hause – dann wird eben auf der Straße diskutiert. Die anfängliche Zurückhaltung weicht lauten Beschwerden. Die Urteile über den Moscheebau sind hart. „Ich würde ausziehen, wenn die Moschee bei mir um die Ecke gebaut wird“, sagt eine 75-Jährige Leipzigerin. Viele der älteren Anwohner sorgen sich vor allem wegen des „Krachs“, den die Moschee mit sich bringen werde. Dabei werden von den zwei Minaretten des Baus – entgegen allen Gerüchten – keine Muezzin-Rufe ertönen. „Ich finde es ganz furchtbar, weil ich da wohne“, sagt Beate Lauer. „Die Erfurter Straße ist ein Hexenkessel, mit der Schule und dem Kindergarten ist genug los, da brauchen wir keine Moschee mehr.“
Rashid Nawaz hat zufällig von dem Treffen gehört, das nun auf dem Bürgersteig vor dem Gohlis-Center stattfindet. Der 41-Jährige, der die Planungen um die neue Moschee betreut, möchte die aufgeregten Gemüter beruhigen. „Das ist eine Chance für mich, die Leute aufzuklären und Gespräche zu führen“. Seine schwarze Jacke passt sich auf den ersten Blick der Garderobe der meisten anderen Anwesenden an, mit seinen dunklen Haaren und dem hellblauen Gewand fällt er aber auf. „Was die Menschen nicht kennen, macht ihnen Angst.“ Er habe aber die Hoffnung, dass sich alles friedlich lösen lasse. Das beste Beispiel sei für ihn die Berliner Ahmadiyya-Moschee, um die es nach anfänglichen Protesten nun still geworden sei.
Aber still ist es an diesem Abend nicht in der Elsbethstraße. Die Debatten werden immer hitziger. „Deren Ziel ist doch die Islamisierung Deutschlands, die wollen sich doch gar nicht integrieren“, schreit ein Leipziger über die Köpfe hinweg, Nawaz bleibt bei solchen Anschuldigungen ruhig, auch, als ein Mann ihn als „dummen Muslim“ betitelt. Die Argumente der Moschee-Gegner bleiben meist ohne Hand und Fuß. „Die wollen die Scharia ins Grundgesetz bringen“, „überall, wo der Islam ist, ist Gewalt“, „die können es doch kaum erwarten, uns zu regieren“ – Vorurteile und Gehässigkeiten wie diese geben den Ton an. Ein Mann in Bomberjacke lässt noch viel krudere Vorwürfe vom Stapel. Als seine Beleidigungen laut werden, ist die Mehrzahl der älteren Leute schon nach Hause gegangen. Angesichts der haarsträubenden „Argumente“ der Moschee-Gegner schütteln die Befürworter die Köpfe. „Ich hatte eigentlich vor, an einer sachlichen Diskussion teilzunehmen“, sagt Martin Linke. Davon kann man aber beim besten Willen nicht sprechen.
Dank der starken Präsenz der Polizei bleibt die Veranstaltung jedoch friedlich.Nach einer guten Stunde löst sich die Versammlung ganz auf. Rashid Nawaz ist bis zum Schluss geblieben. „Es ist gut, dass ich heute Abend hier war. Ich wusste nicht, was passieren würde, aber ich habe einige sehr gute Gespräche geführt. Eine Dame eben war zuerst sehr streng, dann aber positiv gestimmt.“
Für den 2. November hat die NPD eine Kundgebung angemeldet. Dagegen hat Leipzigs Linken-Stadträtin Juliane Nagel bereits Proteste ankündigt.
Sofia Dreisbach