Blog Jule Nagel vom 15.09.2013: „Rackwitzer Zustände – Ein Ausschnitt“

Am 14.9. fand in Rackwitz (Nordsachsen) eine antirassistische Demonstration statt. 200 Menschen beteiligten sich daran, während die BewohnerInnen des Ortes bis auf wenige Ausnahmen fern blieben. Die Aufrufe von Bürgermeister, GemeinderätInnen, Bürgerinitiative und LVZ zum Boykott der Demo dürften hier das ihre getan haben.

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Ein deutliches Zeichen gegen Rassismus und den Umgang mit Asylsuchenden zu setzen, das war für die überwiegende Mehrheit der BewohnerInnen der nordsächsischen Gemeinde nicht drin. Offensichtlich ebenso wenig wie einen kritischen Umgang mit den xenophoben Erhebungen einiger RackwitzerInnen gegen den Plan des Landkreises eine Unterkunft für Asylsuchende im Ort zu errichten, zu finden. Wie sich vor diesem Hintergrund ein differenziertes Bild über die Meinung(sbildung)en im Ort herstellen soll, ist ein Rätsel. Im Gegenteil erhärtet sich das Bild von relativer Homogenität.
Am Freitag, 13.9. allerdings vollzogen sich Ereignisse, die mich selbst nach massiven Anfeindungen aus Rackwitz (LINK) und einer wahrlichen Hetzkampagne der LVZ (LINK 1 und 2) sprachlos machten. Die BürgerInneninitiative Rackwitz 2.0 – eigens gegründet um gegen die Asylunterkunft vorzugehen – hatte nicht nur in der LVZ ihre Lüge verbreiten können, dass sie mit den OrganisatorInnen der antirassistischen Demo Kontakt aufgenommen hätte, um diese zur Absage ihrer Veranstaltung zu bewegen. Sie hatte sich offensichtlich tatsächlich mit der NPD ins Benehmen gesetzt, so dass diese ihre Kundgebung gegen Asylsuchende absagte.

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Am Vormittag des 13.9. informierte mich das Landratsamtes Nordsachsen über diese neuen Rahmenbedingungen. Wenige Minuten später signalisierte ich, dass die Demo vor diesem Hintergrund die ursprünglich angemeldete Route am Rathaus vorbei nehmen wolle (dies war durch die Erstanmeldung der NPD an jener Stelle eigentlich nicht möglich gewesen). Es dauerte wiederum nur wenige Minuten bis die BürgerInneninitiative Rackwitz 2.0 via Facebook bekundete: „Mit Stolz möchten wir an dieser Stelle verkünden das unsere politischen Gespräche, wenigstens zum Teil, Erfolg hatten. Die Nordsächsische NPD bestätigt, dass sie aus Respekt gegenüber den Rackwitzern ihren für Sonnabend geplanten Infotisch heute abgemeldet hat. Leider war der Linke Flügel nicht so kooperationsbereit, sie halten an ihrer Kundgebung weiterhin fest.“
Es drängt sich die Frage auf woher die BI so schnell über die Demopläne erfahren hat. Ist es verschwörungstheoretisch von einem kurzen und freundschaftlichen Draht zwischen Landratsamt und BürgerInneninitiative und BürgerInneninitiative und NPD auszugehen? Eine Verbindung, die offensichtlich von der LVZ Delitzsch/ Eilenburg und ihrem Chefredakteur befeuert wird. Denn diese(r) stellte AntirassistInnen und RassistInnen nicht nur mit übelstem Vokabular (“brauner und roter Abschaum”) auf eine Stufe, sondern übernahm auch noch unhinterfragt die von der BI in die Welt gesetzte Mär von Kommunikationsversuchen zu den VeranstalterInnen der antirassistischen Demonstration.

Es geht in Rackwitz ganz offensichtlich vor allem um die Bewahrung von Homogenität und (falschem) Frieden. Asylsuchende und AntirassistInnen stören diese bittere Harmonie. Der Demonstration wurde dies am 14.9. sehr gut vorgeführt: heruntergelassene Fensterläden, mit Naziaufklebern, NPD-Plakaten und Anti-Asyl-Unterkunft-Aufklebern aus der “bürgerlichen Mitte” zeichneten ein gespenstisches Bild.r1

Mir geht es darum für ein offene, solidarische und demokratische Gesellschaft zu streiten. Ob die antirassistische Demonstration dafür ein adäquates Mittel war, ist möglicherweise streitbar. Fakt ist, dass es den bundesweiten Tendenz zunehmender hasserfüllter Stimmungsmache gegen Geflüchtete, in die Rackwitz einordnet, entgegenzutreten gilt.

Nachlesen/ hören:

Appell “Rassistischen Kampagnen gegen Flüchtlinge und Asylsuchende entgegentreten!”
Pressemitteilung: Antirassistische Demonstration in Rackwitz (14.9.13)/ Demobilder PM Cheung
Interview: Rackwitz: Pogrome verhindern, bevor sie passieren! (13.9.13)
– Rackwitzer Gemeinschaft rückt zusammen – NPD gliedert sich ein und sagt Kundgebung ab. Wiederholt falsche Behauptungen in der LVZ und von BürgerInneninitiative (13.9.13)

(Quelle: Jule Nagel)